Leitplanke

06.07.2025

Seit Anfang des Jahres habe ich das Gefühl, dass sich dieses Jahr etwas Großes in meinem Leben ändert. Ich weiß aber nicht, was es ist.

Ich spüre seit Monaten etwas in mir brodeln. Ich fühle mich oft aufgewühlt und wache nachts ständig auf. Ich habe schon lange nicht mehr durchgeschlafen. Etwas beschäftigt mich. Es möchte raus.

Es fällt mir zunehmend schwerer meine Routinen einzuhalten. Ich möchte mich ablenken und essen. Ich gucke wieder YouTube und spüre, dass ich sinnlos Zeit verschwende, obwohl ich merke, dass es mir keine Freude bereitet.

Ich nutze es ausschließlich zur Ablenkung.

Ich bin auch wieder verstärkt auf der Suche nach einer Lösung im Außen. Ich bestelle mir wieder viele Bücher und hoffe darin die Lösung zu finden.

Das ist aber auch eine Flucht.

Eine falsche Hoffnung oder ein Weglaufen in Fantasiewelten, in denen ich genau weiß, was zu tun ist.

Ich fühle mich verzweifelt, rastlos und unruhig, weil ich nicht weiß, was los ist. Mir fehlen die Sicherheit und die Kontrolle.

Ich stehe an einer Schwelle – das Alte funktioniert nicht mehr, das Neue ist noch nicht ganz da.

Ich spüre das Verlangen mich abzulenken oder etwas zu essen in mit aufsteigen. Es wird immer intensiver, bis ich mich nicht mehr dagegen wehren kann und aufgebe.

Die Intensität der Gefühle ist völlig neu für mich.

Sobald ich merke, dass ich wieder Dinge getan habe, die ich eigentlich nicht tun möchte, wie Videos gucken oder mich nicht an den Ernährungsplan zu halten fühle ich mich schlecht.

Ich mache mir Vorwürfe und schäme mich.

Das verschlimmert die Sache aber nur und es macht nichts besser.

Ich habe mein Ziel der Perfektion nicht erreicht. Ich habe versagt.

Das darf auf keinen Fall sein. Alles muss immer nach Plan laufen.

Dieses Vorgehen ist aber zum Scheitern verurteilt.

Meine Lösung ist bis jetzt immer gewesen mehr zu kontrollieren und zu erzwingen. Mehr Regeln und die Abläufe weiter optimieren, damit es nie wieder vorkommt. Gefühle abstellen und funktionieren.

Was wäre, wenn wir stattdessen mit Mitgefühl und Akzeptanz an die Sache herangehen?

Wenn wir uns selbst so behandeln, wie einen guten Freund?

Wir sind kein schlechter Mensch, weil wir etwas nicht exakt nach Plan gemacht haben. Es zeigt unsere Menschlichkeit.

Wir sind keine Maschinen, die immer alles genau gleich machen.

Wir sind flexibel und haben die Gabe des Lernens. Mit jeder neuen Erfahrung passen wir uns an die Situation an. Es sind alles Gelegenheiten zum Lernen.

Wir erkennen, wer wir nicht sein wollen und kommen der Person, die wir sein wollen, immer näher.

Das Ziel war nie, mich derart einzuschränken.

Anstatt frei zu sein, habe ich mir Schienen gebaut. Aus dem Off Road Fahrzeug, dass überall hinkommt, habe ich einen Zug gemacht.

Das gibt mir zum einen Sicherheit, es verhindert aber auch Freiheit.

Ich muss zuerst eine Strecke bauen, bevor ich einen Ort erreichen kann. Für alles einen Plan haben. Für jede Situation gerüstet sein. Alle Eventualitäten abdecken.

Anstatt jetzt aber das Streckennetz einzureißen und nur noch unbefestigte Straßen zu nutzen, kann ich mir ein Transportsystem aufbauen.

Mich nicht nur auf eine Art festlegen, sondern alles nutzen, was mir zur Verfügung steht. Immer das passende Fahrzeug nutzen.

Die Schienen und damit die Routinen haben ihre Berechtigung. Sie sorgen dafür, dass ich nicht jeden Tag die gleichen Entscheidungen treffen muss.

Manchmal möchte ich aber auch mit dem Mountainbike durch die Berge fahren oder spontan von der Autobahn abfahren.

Vom Plan abweichen und etwas anderes tun. Auf meinen Körper hören, anstatt nach Kennzahlen zu leben.

Es ist wie immer ein Gleichgewicht.

Ich wollte lernen, wie etwas funktioniert, damit ich dann ohne Plan leben kann. Damit ich spontan leben kann und mir nicht so viele Gedanken machen muss.

Ich fange an zu verstehen, warum mir geraten wurde, einfach mal Geld auszugeben, essen zu gehen, Urlaub zu machen oder mich mal wieder zu besaufen.

Es ist mir schwergefallen, das anzunehmen, weil es für mich keinen Sinn macht. Es bringt mir nichts und steht meinen Plänen im Weg. Ich habe das Gefühl mir damit selbst ins Knie zu schießen.

Mich absichtlich und wissentlich selbst zu sabotieren.

Es ging aber nicht konkret um diese Dinge, sondern darum mich mal nicht an den Plan zu halten. Mich nicht zu verhalten, wie eine Maschine, sondern spontan zu sein und zu leben. Etwas Neues zu sehen und zu erfahren. Auszubrechen.

Das ich auch mal fünfe gerade sein lassen kann. Das es ok ist essen zu gehen oder es auch mal bewusst völlig zu übertreiben. Gerade an Feiertagen oder Festen.

Ich wollte die Regeln verstehen, damit ich weiß, wann ich sie brechen kann. Klare Grenzen, die zu Richtlinien werden.

Nach und nach die Kontrolle abgeben und auf meine Intuition vertrauen. Mich treiben lassen und trotzdem das schaffen, was mir wichtig ist. Zu der Person zu werden, die ich sein möchte.

Das zu erfahren, wozu ich hier bin.

Was wäre, wenn ich gar keine Entscheidungen treffen müsste und mich vollkommen auf meine Intuition verlassen würde?

Die Vorstellung spricht mich sehr an, macht mir aber auch Angst. Ich frage mich, wie ich dann leben soll. Wie erreiche ich meine Ziele? Wie sorge ich dafür, dass alles funktioniert?

Das zeigt mir wie sehr ich in dem Denken gefangen bin. Wie sehr ich auf die Kontrolle setze.

Ich bin davon überzeugt, dass wir wissen, was wir wollen. Wir können uns von unserer inneren Stimme leiten lassen. Auf dem Fluss des Lebens treiben lassen. Auf das Universum vertrauen.

Wenn wir aber immer alles kontrollieren und richtig machen wollen, geben wir der Stimme keinen Raum und übertönen sie.

Sie ist aber immer da und hört nicht auf uns den Weg zu weisen.

Ich möchte immer mehr auf sie vertrauen. Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass sie immer richtig liegt. Trotzdem zögere ich noch loszulassen.

Ich habe Angst das zu verlieren, was ich habe. Ich habe Angst abzustürzen. Zu fallen.

Ich habe angefangen mich nicht mehr gegen das Verlangen zu wehren. Anstatt Widerstand zu leisten, versuche ich das Gefühl zuzulassen. Das fällt mir noch sehr schwer und ist ungewohnt.

Ich merke aber, dass das Verlangen danach abnimmt. Als würde es nur beachtet werden wollen.

Es möchte mir etwas sagen. Es macht mich darauf aufmerksam, dass mir etwas fehlt. Es ist eine Gelegenheit in mich zu spüren und herauszufinden, was ich gerade wirklich brauche.

Das Gefühl ausbrechen zu wollen zeigt mir, dass etwas nicht stimmt.

Ich möchte weg von der Kontrolle und dem Zwang. Ich möchte auf das Leben vertrauen und mich fallen lassen können. Loslassen.

In diesem Kontext habe ich mit einem Freund über Entscheidungen gesprochen. Er ist zu dem Schluss gekommen, dass es richtig und falsch nicht gibt.

Wir leben in einer relativen Welt. Es kommt immer auf die Situation und die Perspektive an.

Was in diesem Moment das Richtige ist, kann im nächsten völlig falsch sein.

Er hat die Frage aufgeworfen, was wäre, wenn auch die Dinge, die uns nicht entsprechen, nicht falsch sind, sondern sie uns daran erinnern, dass wir gerade nicht die Person sind, die wir sein wollen.

Ich habe zuerst an ein Warnschild gedacht. Achtung, Du musst jetzt umdrehen.

Das ist aber wieder ein Zwang.

Wir machen eine abrupte 180 Grad Wendung und ändern wieder alles. Kompletter Rückzug und mit Vollgas in die entgegengesetzte Richtung.

Das Pendel schwingt also wieder auf die andere Seite. Dadurch werden die Ausschläge immer größer. Wir wandern von einem Extrem zum anderen. Wir kommen nicht zur Ruhe.

Alles war falsch und jetzt machen wir wieder alles richtig. Es gibt nur schwarz oder weiß und keine Grauzonen. Keinen Spielraum, keine Luft zum Atmen.

Dann ist mir das Bild der Leitplanke eingefallen. Es ist kein gewaltsames Umkehren, sondern ein sanftes wieder in die Spur führen.

Anstatt in das andere Extrem zu gehen, bewegen wir uns behutsam auf die goldene Mitte zu. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Wir bleiben aber flexibel. Wir erkennen immer eher, wenn wir uns zu weit davon entfernen.

Die Schwankungen werden immer kleiner und kürzer.

Wir können erkennen, dass wir wieder sinnlos auf YouTube surfen und es als Gelegenheit sehen, in uns zu gehen und uns fragen, was wir gerade wirklich brauchen.

Es ist kein Fehler, sondern ein Hinweis. Ein Freund tippt uns sanft auf die Schulter.

Eine Einladung uns besser kennenzulernen. Uns das zu geben, was wir wirklich brauchen.

Was ist dein Traum? Wie kann ich helfen?