Anstrengung
Eigentlich möchte ich doch gar nicht so viel. Wieso fällt es mir trotzdem so schwer zufrieden zu sein? Warum fühlt es sich so anstrengend an?
Liegt es daran, dass ich einfach zu hohe Erwartungen habe?
Ich möchte doch eigentlich nur ein einfaches Leben. Ich möchte zufrieden sein, ein bisschen Sport treiben, ein bisschen programmieren und das Leben genießen.
Ich brauche auch gar nicht viel. Ich gebe mich mit wenig zufrieden. Es sollte einfach sein.
Trotzdem scheint es ein ewiger Kampf zu sein. Es ist anstrengend und raubt mir viel Kraft.
Übersehe ich etwas offensichtliches? Mache ich etwas grundlegend falsch?
Ich denke definitiv viel zu viel und sollte lieber mehr machen und ausprobieren. Es fühlt sich aber nicht an, als wäre das das einzige Problem.
Es fühlt sich alles so sinnlos und hoffnungslos an. Als würde ich nie ankommen.
Ich stecke viel Energie in etwas, nur um dann festzustellen, dass es nicht die Antwort war.
Ich rolle den Felsen den Berg hinauf, nur um festzustellen, dass er wieder runter gerollt ist.
Ich fange immer wieder von vorne an und es nimmt kein Ende.
Ich habe das Gefühl, dass ich immer mehr Anstrengung brauche, um an einem Punkt zu kommen, an dem ich zufrieden bin.
Diese Phasen sind aber auch immer kürzer. Ich schlittere immer schneller und leichter zu einem Tiefpunkt.
Es ist, als hätte ich das Ende der Fahnenstange erreicht. Ich bin mit meinem Latein am Ende.
Ich bin Weihnachten wieder morgens mit dem Hund spazieren gegangen. Das hat mir sehr gut getan und auf einmal hatte ich wieder ganz viele Ideen für Texte. Je mehr ich geschrieben habe, umso besser und leichter habe ich mich gefühlt.
Es ging dann aber wieder rasend schnell bergab. Ich habe mich kränklich gefühlt und bin kaum aus dem Bett gekommen. Nach dem Frühstück hatte ich genug Energie, um zum Training zu fahren, nachmittags war es aber schon wieder vorbei.
Ich habe vielleicht auch wieder zu viel Hoffnung in den Urlaub gesteckt. Ich wollte mir viel Zeit für mich nehmen und herausfinden, warum ich diese Stimmungsschwankungen habe. Das hat so natürlich nicht funktioniert.
Zusätzlich zu meiner Erschöpfung hat das Wetter nicht mitgespielt. Es war immer ungemütlich und regnerisch. Es war ein Grund mehr nicht raus zu gehen.
Gerade bin ich wieder mit dem Hund spazieren. Ich musste mich regelrecht dazu zwingen aufzustehen und rauszugehen. Es tut mir ganz gut diesen Text zu diktieren und ich fühle mich etwas besser. Ich bin gespannt, wie der Tag verläuft.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Erschöpfung von einer Krankheit kommt, sie sich im Laufe des Jahres aufgestaut hat und sich jetzt zeigt, weil ich zur Ruhe komme oder ob es an meinem Kopf liegt.
Wenn es mir gut geht, bekomme ich immer mehr Ideen, was ich tun könnte. Am Anfang sind es nur wenige kleine. Es wird dann aber immer mehr und ich fühle mich schnell überfordert. Ich nehme mir immer mehr vor, sodass es einfach zu viel wird.
Vielleicht ist das der Grund, warum ich wieder aufgebe. Ich sehe, dass ich es sowieso nicht schaffen kann und gebe direkt auf. Dadurch falle ich dann wieder in ein Loch.
Ich habe direkt wieder ein instagramwürdiges Leben vor Augen.
Ich mache den ganzen Tag nur coole Sachen und alle beneiden mich darum.
Ich bin sofort wieder beim optimalen Leben.
Ich träume von einem Leben voller Highlights. Ohne Rückschläge, Probleme und Tiefpunkten.
Wie in einer Sendung für Kinder. Friede, Freude, Eierkuchen.
Wieso baue ich diese hohen Erwartungen auf? Was fehlt mir? Was erhoffe ich mir von diesem perfekten Leben?
Suche ich nach Anerkennung oder ist der Glaubenssatz, dass sich etwas leisten muss, um liebenswert zu sein doch tiefer verankert als gedacht?
Es ist, als wollte ich es allen anderen zeigen. Vielleicht ist es auch nur eine bestimmte Person.
Ein Beweis, dass ich es drauf habe.
Ich möchte besser sein als alle anderen. Aber wozu?
Es gibt mir eine Form der Kontrolle. Ich bin von niemandem abhängig, wenn ich das perfekte Leben führen. Ich kann tun und lassen, was ich möchte.
Wenn ich auf niemanden angewiesen, bin kann mich auch niemand enttäuschen.
Ich kann alles so tun, wie ich es mir vorstelle.
Wieso denke ich, dass das der richtige Weg ist?
Ein Leben alleine und unabhängig von allen anderen ist mit Sicherheit nicht die richtige Lösung.
Andere Menschen sind der wichtigste Teil eines Lebens. Sie führen zur größten Zufriedenheit.
Mit anderen wird aber auch alles komplizierter.
Ich male mir aus, wie cool alles werden kann, und dann kommt etwas dazwischen.
Wenn ich alleine bin, platzen meine Pläne nur sehr selten. Ich habe mich selbst unter Kontrolle. Andere Menschen nicht. Deshalb werde ich enttäuscht.
Bis zum Studium ist immer jemand vorbeigekommen. Ich muss mich nicht darum kümmern und konnte mich darauf verlassen.
Wir haben uns immer erst bei mir getroffen, bevor wir etwas anderes gemacht haben.
Das hat sich geändert.
Fehlt es mir so sehr Teil deiner Mannschaft zu sein? Eine eingeschworene Truppe, die alles zusammen durchstehen kann.
Das was mir immer am Handball meisten Spaß gemacht hat, war die gegenseitige Unterstützung.
Ich habe immer ein Bild vom Football im Kopf. Ein Spieler hat den Ball und seine Mannschaftskollegen laufen mit ihm mit und beschützen ihn vor dem Gegner. Sie tackeln alles, was ich ihm nähert. Sie “opfern“ sich selbst für das Team.
Beim Handball hatte ich oft ein ähnliches gefühlt. Die Szene hat es für mich aber auf den Punkt gebracht.
Die Mannschaft hatte für alle die höchste Priorität. Alles wurde um sie herum geplant.
Die Erfolge und Niederlagen, das anstrengende Training, die vielen gemeinsamen Stunden hatten etwas, dass uns zusammen geschweißt hat.
Wir haben nicht nur zusammen gespielt, sondern waren teilweise in der selben Schule und haben einen großen Teil unserer Freizeit zusammen verbracht. Wir waren immer zusammen.
Im Laufe der Zeit hat sich das aber auch verändert. Vielleicht ist das auch der wahre Grund, warum mir Handball irgendwann keinen Spaß mehr gemacht hat. Es war nur eine lose Zusammensetzung von Menschen, die Sport getrieben haben.
Als wir in die Herrenmannschaft gekommen sind, wurden wir aufgeteilt. Die Verbindung hat sich damit immer weiter aufgelöst.
Ich habe so einen Zusammenhalt wie wir ihn in der Jugend hatten nie wieder gespürt.
Normale Freundschaften kommen nicht daran. Irgendwas am Sport schweißt uns stärker zusammen.
Gemeinsam harte Trainingseinheiten überstehen, Siege und Niederlagen erleben, sich gegenseitig pushen und auch mal anschreien. Diese Emotionen kommen normalerweise nicht auf.
Danach wirkte vieles, besonders im Studium, oberflächlich und kurzfristig. Es gab ein Ablaufdatum der Freundschaften.
Die Realität kann mit meinen überzogenen Erwartungen natürlich nicht mithalten. Deshalb bin ich enttäuscht und gebe wieder auf.
Ohne sie wäre es wahrscheinlich ganz einfach, ein zufriedenes Leben zu führen. Wahrscheinlich würde mir auch das, was ich tue, reichen. Ich wäre nicht ständig enttäuscht und würde mich nicht nach immer mehr sehnen.
Ich bin sehr froh, mich aufgerafft zu haben und spazieren gegangen zu sein. Es hat mir sehr gut getan, alles rauszulassen.
Ich fühle mich fitter und habe mehr Energie. Ich freue mich auf das Training. Vor dem Spaziergang war ich mir noch nicht sicher, ob ich überhaupt hingehen sollte, weil ich mich so erschöpft gefühlt habe.
Manchmal muss ich mich zu meinem Glück zwingen!
Zum Schluss gab es noch einen Wolkenbruch, ich bin komplett nass geworden und musste den Rest des Weges laufen. Es hat mich aber nicht gestört und hat sich irgendwie gut angefüllt.
Vielleicht war das mein Weckruf. Ich habe das Leben gespürt.
Ich habe mich vor dem Laufen träge gefühlt. Als ich aber erst in Bewegung war, ist es immer besser geworden. Es hat mich mit Energie gefüllt. Ich bin der Trägheit weggelaufen.
Es ist wieder ein Zeichen, dass mich mein Kopf ausbremst und zurückhält und es nicht mein Körper ist. Ich habe genug Kraft. Ich kann sie nur oft nicht nutzen.
Kurz nachdem ich diesen Text geschrieben habe, habe ich in meinem Hörbuch ein Kapitel gehört, dass meine Situation ganz gut beschreibt.
Die Heldin lieb das Kämpfen und tut alles um sich zu verbessern. Sie hat großen Spaß dabei und ist sehr erfolgreich damit.
Beim letzten Kampf wird sie jedoch verflucht. Auf einmal sagt ihr eine innere Stimme, dass es sich nicht lohnt und es sowieso nicht funktionieren wird. Sie ist dadurch nicht mehr in der Lage zu kämpfen.
Von außen hat sich nichts verändert. Sie ist stärker und mächtiger als je zuvor. Trotzdem kann sie Kraft zu nutzen. All ihre Fähigkeiten bringen ihr in dem Moment nichts mehr.
Die innere Stimme ist zu stark und der Kampf gegen sie extrem ermüdend. Sie verlangt ihre voll Aufmerksamkeit.
Ich spüre auch immer diese innere Stimme. Sie redet mir ein, dass alles hoffnungslos ist und sich die Mühe sowieso nicht lohnt.
Ich führe ein gutes Leben, kann es aktuell aber einfach nicht erkennen.
Ich habe alles erreicht, was ich mir vorgenommen habe. Mein Leben wird immer besser.
Gleichzeitig wird die Stimme in meinem Kopf auch immer lauter und überzeugender.
Es wirkt immer verlockende, mich ihr zu ergeben und einfach aufzugeben.
Alles ist viel anstrengender. Es ist als würde ich mit zusätzlichem Gewicht einen Berg hinauflaufen. Ein Spiel mit Handicap, dass ich mir selbst auferlegt habe und unnötig ist.
Ein Kampf gegen Windmühlen.
Anscheinend ist meine nächste Aufgabe, den Fluch zu brechen und damit die Stimme zum Schweigen zu bringen.
Es gelingt mir zwischenzeitlich immer mal wieder, sie kurzfristig zu ignorieren, sie kommt dann aber lauter zurück.
Meine Weltsicht ist aktuell auch viel pessimistischer als früher. Ich sehe aktuell immer nur die negativen Dinge.
Ich war eigentlich immer optimistisch und habe in allem etwas Gute gesehen. Das hat sich irgendwie verändert.
Vielleicht muss ich lernen mein Gedanken auch mal zu Misstrauen.
Anstatt mich selbst zu bemitleiden und mir alles auszureden, sollte ich einfach loslegen.
Weniger denken, mehr machen.
Ich möchte versuchen, mich selbst einzufangen, wenn ich es wieder übertreibe.
Ich möchte realistische Erwartungen haben und klein anfangen.
Ich möchte klein anfangen und mich dann gegebenenfalls steigern.
Ich möchte nicht mehr auf die innere Stimme hören und wieder einen positiveren Ausblick bekommen.