Gehetzt
Ich fühle mich immer extrem gehetzt. Als wenn jede Sekunde, die ich nicht produktiv bin eine verschwendete Sekunde ist.
Wenn ich mich im Fitnessstudio mit jemandem unterhalte und meine Uhr mir sagt, dass die Pause vorbei ist, verspüre ich den Druck das Gespräch zu beenden, selbst wenn es mir gut gefällt, habe ich immer das Verlangen mit dem nächsten Satz weiter machen zu müssen. Ich kann den Moment dann nicht mehr genießen.
Es ist natürlich auch hilfreich, damit ich nicht zu viel rede oder langweilige Gespräche abbrechen kann.
Ich habe das aber überall. Wenn ich irgendwo hinfahre und es länger dauert als geplant, wenn ich in einer Schlange stehe und jemand länger braucht oder ich spontan jemanden treffe und mich unterhalten möchte.
Ich habe immer die Zeit im Hinterkopf, die ich gerade nicht produktiv bin.
Es fühlt sich an als wäre es ein persönlicher Angriff. Als würde die Person vor mir mit Absicht so langsam sein, nur um mich zu ärgern.
Ich frage mich woher das kommt.
Ich versuche aktiv mir nicht zu viel vorzunehmen. Ich möchte so verhindern ständig gestresst zu sein und von einem Termin zum nächsten zu laufen, ohne darüber nachzudenken was ich eigentlich tue.
Da ich meinen Alltag so sehr optimiert habe und immer genau weiß, was ich tun muss, habe ich auch genug Zeit und brauche mich nicht gehetzt zu fühlen. Ich könnte alles deutlich entspannter angehen.
Es gefällt mir aber gar nicht, wenn etwas dazwischenkommt oder er durcheinander gebracht wird.
Ich habe lange gebraucht, um ihn so aufzubauen, dass er mir gefällt. Durch den großen Aufwand, den ich bereits betrieben habe und weiterhin betreibe, fühlt es sich wahrscheinlich wie ein persönlicher Angriff an, wenn er durch jemand anderen durcheinander gebracht oder verzögert wird. Es ist als würde die andere Person meinen Aufwand nicht wertschätzen, obwohl es überhaupt nichts mit den anderen zu tun hat und nur mit mir.
Es ist alles wunderschön aufeinander abgestimmt und dann wird es einfach zerstört, weil jemand sein Portemonnaie vergessen hat.
In Wahrheit ist es aber vollkommen egal, ob etwas 5 Minuten länger dauert. Es ändert nichts.
Trotzdem fühle ich mich unter Zeitdruck, sobald etwas passiert, das nicht vorgesehen war.
Ich kann meinen Tag aber auch ohne Probleme anpassen. Allerdings muss ich dafür nachdenken und Entscheidungen treffen, die ich eigentlich schon getroffen habe.
Es tut mir gut mal durchzuatmen und ein nettes Gespräch zu führen.
Das ist auch der Grund, warum ich mehr verreisen möchte. Ich werde so aus meiner Struktur gerissen und muss mich anpassen. Ich hoffe dadurch flexibler und entspannter zu werden.
Ich klammere mich viel zu sehr an meine Zeiten und Abläufe. Sie sind super und vereinfachen mir sehr viel, haben aber auch ihren Preis.
Ich kann die Welt nicht kontrollieren, sodass alles genau nach meinen Vorgaben passiert. Es kommt immer etwas dazwischen und muss angepasst werden. Wenn ich mich zu sehr auf meine Pläne verlasse, bin ich unflexibel und zu abhängig von ihnen.
Am Anfang der Woche habe ich mit einer Trainerin gesprochen, die keinen Trainingsplan hat. Sie macht das, worauf sie Lust hat. Trotzdem gelingt es ihr fit zu bleiben. Es fällt ihr leicht ein ausgeglichenes, hartes Training zu absolvieren und jede Woche alle Muskeln zu trainieren.
Das ist etwas, dass ich auch erreichen möchte. Meine Pläne dienen mir jetzt als Sicherheit und Stütze. Ich möchte aber mit der Zeit immer intuitiver werden und nicht mehr auf sie angewiesen sein. Ich möchte mehr auf meinen Körper hören. Ich möchte z.B. das essen, was er gerade braucht und trotzdem meine Ziele erreichen.
Ich möchte durch die strikten Pläne lernen, wie es funktioniert und es verinnerlichen, damit ich irgendwann ohne sie auskomme.
Ich möchte auch hier eine bessere Balance finden. Anstatt völlig auf den richtigen Ablauf angewiesen zu sein, möchte ich ihn leichter anpassen können.