Lebenszeit
Ich habe ein Hörbuch beendet, in dem der Hauptdarsteller nur noch wenige Monate zu leben hat.
Er hat festgestellt, dass er sein ganzes Leben nicht wirklich gelebt hat, sondern sich immer nur hat treiben lassen.
Das Buch hat mich dazu gebracht zu überlegen was ich ändern würde, wenn ich nur noch ein paar Monate zu leben hätte.
Das sind dann die Dinge, die mir wirklich wichtig sind. Die Frage ist, warum lebe ich nicht jetzt schon so.
Ich schiebe vieles auf, weil ich denke, dass ich noch sehr viel Zeit habe. Das Leben kann aber morgen schon vorbei sein.
Ich warte auf den perfekten Zeitpunkt, anstatt es direkt anzugehen.
Ich gehe sehr sparsam mit meinem Geld um und überlege mir sehr genau wofür ich es ausgebe.
Bei meiner Lebenszeit bin ich viel großzügiger. Ich mache Dinge, die mir nicht wirklich gefallen und verschwende sie. Ich verschiebe mein Traumleben in die Zukunft anstatt es jetzt umzusetzen. Es gibt immer einen Grund, warum es jetzt noch nicht geht.
Dabei ist sie das wertvollste, was wir haben. Die Zeit ist unsere einzige nicht erneuerbare Ressource.
Auf was warte ich? Warum setze ich meine Ziele nicht einfach um? Wie sieht mein Traumleben überhaupt aus?
Wer weiß wie viel Zeit ich noch habe. Es kann morgen vorbei sein und dann bereue ich es nicht heute schon gestartet und alles aufgeschoben zu haben.
Was hält mich zurück?
Nachdem Menschen ein einschneidendes Erlebnis, wie eine Krankheit oder einen Schicksalsschlag erlitten haben, gehen mit ihrer Zeit ganz anders um. Sie haben erfahren, wie wertvoll sie ist.
Mein aktuelles Buch spielt in einer Zeitschleife. Selbst dort haben die Protagonisten nicht genug Zeit. Sie machen aber das beste daraus und verschwenden sie nicht. Sie haben aber ein konkretes Ziel. Sie wollen aus der Zeitschleife entkommen.
Das gibt ihnen eine Richtung und einen Grund.
Sie erkennen wie wertvoll ihre Lebenszeit ist.
Ich lebe als ob ich unendlich viel Zeit hätte. Ich habe aber nur eine Chance. Die sollte ich nutzen und das beste daraus machen.
Das beste heißt nicht das meiste Geld zu verdienen, sondern das Leben wirklich zu erleben und alle Erfahrungen wahrzunehmen.
Ich hetze durch mein Leben, mache mir selbst Druck und Stress. Ich glaube immer mehr zu brauchen und schiebe meine Träume immer weiter auf.
Alles muss schnell gehen und ich renne von einer Veranstaltung zur nächsten. Es gibt immer noch etwas zu tun. Ich vergesse dabei mein Leben zu genießen.
Dabei versuche ich aktiv zu vermeiden zu beschäftigt zu sein. Meine ganzen Gewohnheiten und alles Dinge die ich täglich tun möchte fressen eine Menge Zeit. Deshalb ist auch alles durchgeplant. Sonst würde ich es wahrscheinlich nicht schaffen.
Ich besteige einen Berg, bleibe aber nie stehen, um die Aussicht zu genießen. Was für mich zählt ist auf dem Gipfel anzukommen. Aber selbst dort bleibe ich nicht stehen. Es geht direkt weiter zum Nächsten.
Ich frage mich aber immer öfter wohin ich laufe und was ich damit erreichen möchte. Es gibt keine Ziellinie für das Leben, die ich eher erreiche, wenn ich mich hetze.
Im Gegenteil, Ich verpasse alles.
Ich schlinge mein Essen hinunter, damit es möglichst schnell weitergeht. Ich nehme dabei den Geschmack nicht wahr und kann nicht auf die Reaktionen meines Körper hören. Das führt dazu, dass ich mich ständig hungrig fühle und mich eine Mahlzeit selten sättigt.
Ich esse zu festen Zeiten festgelegte Mengen, wie ein Tier im Stall.
Ich möchte meine Aufgaben so schnell wie möglich abschließen, nur um dann mit der nächsten anzufangen.
Ich plane meinen kompletten Tag durch und baue mir so selbst Druck auf. Es gibt mir die Illusion der Kontrolle. Ich habe feste Zeiten für alles und es fällt mir zunehmend schwerer sie zu verschieben.
Mir gefällt eine Struktur für den Tag immer noch sehr gut, mir fehlt aber die Flexibilität. Ich habe das Gefühl um 12 Uhr essen zu müssen. 12:30 Uhr geht nicht. Das würde ja alles durcheinander bringen, selbst wenn ich mir sonst nichts vorgenommen habe.
Ich habe es, wie immer, übertrieben. Es fällt mir sehr schwer eine Balance zu finden. Ich neige zu Extremen.
Ich habe mir selbst ein Gefängnis gebaut, aus dem ich nur schwer wieder ausbrechen kann.
Ich würde gerne große Teile meines Lebens vorspulen. Es geht mir immer nur um die Ergebnisse.
Ich wünsche mir oft, ich könnte auf einen Knopf drücken und die Dinge würden einfach geschehen, wie in einem Computerspiel.
Ich sehe vieles als lästige Pflichten und Hindernisse, die ich überwinden muss um an mein Ziel zu gelangen.
Ich habe mir eingebildet, dass der Weg dorthin möglichst schnell gehen muss und meinem Glück nur im Weg steht.
Erst am Ende kann ich glücklich sein. Wann ist das Ende erreicht? Wenn ich tot bin?
Meine Langfristigen Ziele brauchen noch sehr viel Zeit. Ich rede mir ein, dass ich glücklich bin, wenn ich sie erreicht habe. So funktioniert das aber nicht.
Ich erwische mich immer wieder dabei in diese Falle zu tappen. Ich denke, wenn ich erst X gemacht habe, dann wird alles gut. Ich habe keine Probleme mehr und lebe glücklich und zufrieden bis ans Ende meiner Tage.
Dabei habe ich schon ein gutes Leben, es fällt mir nur schwer es zu erkennen.
Ich brauche immer mehr, alles muss immer besser werden und schneller passieren.
Ich komme nicht ins Fühlen. Ich bewege mich zu schnell von einer Sache zur Nächsten.
Ich denke immer schon an die nächste Aufgabe und den nächsten Moment. Alles ist durchgetaktet.
Der Weg ist das Ziel. Das wird mir immer klarer.
Es ist wichtiger die Dinge bewusst zu tun und meine Zeit zu genießen.
Durch meine hohe Geschwindigkeit bekomme ich keine Extrapunkte. Ich verpasse aber den Moment.
Ich frage mich auch, wofür ich mich so hetze. Was möchte ich damit erreichen? Es ändert nichts. Es ist als wollte ich so schnell wie möglich ans Ziel des Lebens kommen.
Das Spiel des Lebens so schnell wie möglich gewinnen und dann weitermachen.
Ich glaube anscheinend immer noch, dass irgendwo am Ende des Regenbogens mein Topf mit Gold auf mich wartet.
Aber selbst wenn ich ihn erreichen könnte, was dann?
Das Leben geht einfach weiter.
Es passieren leichter Fehler und die Zeit zieht einfach an mir vorbei.
Ich fühle mich manchmal wie ein NPC in meinem eigenen Leben.
Es ist wie die Montage in einem Film in der der Held sein Leben auf die Reihe bekommt. Es werden ein paar Highlights von seinem Training gezeigt und die lange Zeit der Entwicklung wird auf ein paar Aufnahmen reduziert.
Ich fühle mich, als würde ich in der Phase stecken und warte auf das Ergebnis.
Ich denke immer an den nächsten Moment, den nächsten Termin und die nächste Aufgabe. Es fällt mir sehr schwer einfach mal loszulassen.
Ich habe am Wochenende damit begonnen mich einfach in den Park zu setzen und meine Umgebung und Gedanken zu beobachten komplett ohne etwas anderes zu tun. Ich versuche so zur Ruhe zu kommen und mein Leben zu entschleunigen. Es ist mein Versuch aus dem Hamsterrad auszubrechen.
Das funktioniert ganz gut, auch wenn die ersten Minuten immer sehr schwer sind. Wenn ich die überstanden habe, kann ich die Zeit wirklich genießen. Meine Gedanken beruhigen sich und der Zeitdruck verschwindet.
Im Laufe der Woche merke ich aber, wie diese Ruhe immer weiter verschwindet und ich in die bekannten Muster falle.
Aber es ist ein gutes Zeichen, dass ich es erkenne und angefangen habe.
Ich versuche in immer mehr Bereichen meines Lebens Ruhe einkehren zu lassen und mir selbst den Druck zu nehmen. Ich möchte nach und nach alles entspannter und bewusster machen.
Einen Stau kann ich als Gelegenheit sehen mich etwas auszuruhen und zu entspannen, anstatt mich aufzuregen. Ich kann es eh nicht ändern.
Es gibt immer wieder gute Gelegenheiten mal zu stoppen und durchzuatmen. Ich kann so immer wieder zur Ruhe kommen und erkenne leichter, dass ich mich wieder selbst hetze.
Ich möchte gelassener werden und mein Leben genießen.
Ich möchte nicht mehr alles so ernst nehmen und wieder mehr Spaß haben.
Ich möchte langsamer und bewusster essen, damit ich auf meinen Körper hören kann.
Ich möchte entspannter werden und nicht mehr das Bedürfnis haben alles kontrollieren zu müssen.