Weglaufen
Eine Freundin von mir hat den Eindruck, dass ich mir ein anderes Leben wünsche.
Manchmal hat sie damit sogar recht.
Ich bin heute Morgen aufgewacht und konnte mir ein Leben als Profisportler sehr gut vorstellen. Den ganzen Tag zu trainieren, würde mir wirklich gut gefallen.
Dann habe ich Tage, an denen ich gerne als Mönch in einem Kloster leben und nur meditieren würde.
Ich könnte mir auch gut vorstellen als digitaler Nomade die Welt zu bereisen.
Manchmal würde ich auch gerne mit meinen Händen arbeiten und als Kunsthandwerker ganz besondere Stücke für meine Kundschaft produzieren.
Als Landwirt könnte ich mir vorstellen die Nachbarschaft mit Lebensmitteln zu versorgen und die Umgebung zu gestalten.
Ich würde mich auch gerne mein Leben der Persönlichkeitsentwicklung widmen und Bücher darüberschreiben oder einen Podcast starten, wie Cal Newport oder Andrew Huberman. Ich denke auch immer wieder an den Ort der Persönlichkeitsentwicklung.
Das ist nur die Spitze des Eisbergs.
Obwohl ich mich in einer sehr guten Situation befinde, hoffe ich manchmal von vorne anfangen zu können.
Dann würde ich alles richtig machen.
Es liegt aber nicht an den äußeren Umständen, sondern an mir.
Ich habe mir letztens überlegt, ob ich mit jemandem das Leben tauschen würde und mir ist niemand eingefallen.
Ich denke mir immer wieder, dass das Leben eines anderen interessant wirkt, merke dann aber recht schnell, dass es nichts für mich ist. Cal Newport ist aktuell so ein Fall.
Ich habe den Eindruck, dass er weiß, was er tut, und viel Spaß dabeihat. Sein Leben wirkt rund und er scheint zufrieden zu sein.
Er geht sehr methodisch vor, was mir sehr gut gefällt.
Ich glaube nicht, dass sich etwas ändern würde, selbst wenn ich das perfekte Leben führen würde.
Mir fehlt etwas und ich komme nicht drauf, was es ist.
Ich schaffe es immer wieder mich zu motivieren, indem ich etwas Neues lerne und dann ausprobieren kann.
Ich komme aber auch immer wieder zu der Leere zurück.
Ich bin auf der Suche nach einem Sinn.
Was haben alle meine unterschiedlichen Vorstellungen von einem Leben gemeinsam?
Es geht immer um Fortschritt und das Verbessern.
Ich möchte nicht irgendetwas machen, sondern es sollte etwas Außergewöhnliches sein. Ich möchte nicht nur einen Tisch bauen, sondern einen besonders guten.
In meiner Vorstellung möchte ich immer alles perfekt machen. Ich möchte Kritik keinen Platz bieten und mich so davor schützen.
Ich möchte wohl bewundert werden, dass ich etwas (oder alles) sehr gut kann.
Vielleicht suche ich nach der Bestätigung gut genug zu sein.
Ich warte auf jemanden, der mir sagt, dass ich gut genug bin und es glauben kann.
Dass ich nichts leisten muss, um gemocht zu werden.
Es scheint immer wieder darauf hinauszulaufen.
Ich habe alles, was man sich wünschen kann und mehr. Es reicht aber einfach nicht.
Es ist egal was ich tue oder erreiche. Es ist niemals genug.
Ich habe es in den letzten Wochen und Monaten immer mal wieder geschafft, diesem Drang zu entkommen. Es ist mir gelungen, in dem ich meinen Geist zur Ruhe gebracht habe.
Es hält aber meist nicht lange an.
Deshalb hat mir das Buch "Search Insight Yourself" wahrscheinlich so gut gefallen. Es geht dort genau darum.
Mit dem Training der Aufmerksamkeit können wir uns selbst immer besser kennenlernen, entwickeln so ein Selbstbewusstsein und eine innere Zufriedenheit.
Der Dalai Lama wurde in einem Interview angeblich mal gefragt, was wir machen können, wenn wir uns selbst nicht mögen.
Dabei gab es Probleme bei der Übersetzung. Er hat es nicht verstanden.
Am Anfang fühle ich mich immer besser, je mehr ich mache.
Dinge funktionieren und es ergeben sich neue Möglichkeiten.
Ich spüre eine Aufbruchstimmung und möchte immer mehr.
Ich habe das Gefühl, dass ich endlich alles schaffen kann. Ich halte den Schlüssel zur Lösung in der Hand.
Ich werde dann gierig und gucke links und rechts, was ich noch alles besser machen könnte.
Ich fange dann an, Dinge zu erzwingen und das ist anstrengend.
Sobald ich Dinge tun "muss" und sie in meinen Tagesablauf "quetsche", wird es zu viel.
Dann leidet meine Lebensqualität darunter.
Das ist der Punkt, an dem die Probleme beginnen.
Ich fange an, nur noch Dinge zu sehen, die ich verbessern kann.
Ich suche wieder nach der einen Lösung.
Es vermittelt mir das Gefühl, alles falsch gemacht zu haben und nichts richtig zu können.
Es fällt mir immer schwerer, das Gute in meinem Leben zu sehen.
Meine Weltsicht und Perspektive ändern sich komplett.
Anstatt Möglichkeiten, sehe überall nur noch Probleme. Alles, was besser sein könnte.
Ich nehme mir immer mehr vor und merke dann, dass es zu viel ist. Ich fühle mich überfordert und gehetzt.
Ich möchte alles hinschmeißen und weglaufen.
An diesem Punkt wünsche ich mir ein anderes Leben, in dem alles besser ist. In dem es keine Probleme gibt und immer alles funktioniert.
Dann fange ich wieder von vorne an.
Es fällt mir schwer zu erkennen, wann es genug ist.
Ich möchte alles und das jetzt.
Ich erkenne meistens zu spät, wann ich den Punkt überschritten habe.
Es wird aber immer früher. Das macht mir Hoffnung.
Ich möchte eins nach dem anderen machen und mich auf wenige Dinge konzentrieren.
Eins nach dem anderen und Alles zu seiner Zeit.
Dann habe ich auch die Zeit und Ruhe etwas vernünftig zu machen.
Ich möchte mich selbst akzeptieren und so diese Leere in mir fühlen.
Ich muss kein Profisportler sein. Es reicht, wenn ich Sport treibe.
Ich muss es nicht im Kloster leben. Ich kann auch so meditieren.
Es muss nicht immer ein Extrem sein. Ich kann mir die Punkte, die mir gefallen, heraussuchen und daraus mein eigenes Leben aufbauen.
Ich kann mein Leben so gestalten, wie ich das für richtig halte.
Ich möchte erkennen, dass es mich deutlich schlechter hätte treffen können.
Ich möchte akzeptieren, dass ich es im Großen und Ganzen gut mache.
Es gibt immer Wege, etwas besser zu machen.
Ich habe jetzt gelernt, dass ich nicht mal optimal atme. Das ist aber nicht schlimm!
Ich muss nicht alles können und schon gar nicht perfekt sein.